Cannabis wurde in Deutschland zum 1. April 2024 legalisiert. Das hat Auswirkungen auf die Arbeitswelt im Allgemeinen und auf Verkehrsunternehmen im Besonderen. Was bedeutet die Legalisierung für diese Unternehmen?
In Verkehrsunternehmen gibt es eine Vielzahl an Personal, das in sicherheitsrelevanten Bereichen arbeitet. Gerade im Fahrdienst, bei Arbeiten im Gleisbereich oder an Oberleitungen können auch Dritte gefährdet werden. Die Cannabis-Legalisierung hat deshalb gerade in diesen Unternehmen praktische Auswirkungen.
Eingeschränkte Tauglichkeit
Die berauschende Wirkung von Cannabis hat Auswirkungen auf die Koordination, Konzentration und Reaktion, insbesondere bei Personen, die nur gelegentlich konsumieren. Dadurch ist die Tauglichkeit für bestimmte Tätigkeiten eingeschränkt. Das betrifft insbesondere die Fahreignung, aber auch Arbeiten im Gleisbereich oder auf Oberleitungsfahrzeugen. Deshalb ist hier im Besonderen darauf zu achten, dass diese Tätigkeiten nur ausführen darf, wer körperlich und geistig geeignet ist und von dem erwartet werden kann, dass auch gefährliche Situationen gut gemeistert werden können. Dies ist nach dem Konsum von Cannabis nicht der Fall.
Dabei ist es irrelevant, ob diese Substanzen legal oder illegal sind. Auch ist es egal, warum Cannabis konsumiert wird. Cannabis kann die gleichen Wirkungen haben, wenn es als Medikament verordnet eingenommen wird. Hier wäre allerdings die Wirkung im Kontext der Gesamterkrankung durch den Betriebsarzt zu beurteilen.
Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt
Cannabis beeinflusst durch folgende mögliche Wirkungen die Fahrtüchtigkeit:
- erhöhte Risikobereitschaft,
- Gleichgültigkeit gegenüber Gefahren,
- erhöhte Lichtempfindlichkeit,
- Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses,
- verlängerte Reaktionszeiten,
- Schläfrigkeit sowie
- Euphorisierung.
Bei Alkohol gilt in allen Verkehrsbetrieben das Null-Promille-Gebot, auch wenn im Straßenverkehr 0,5 Promille erlaubt sind. Das gilt analog auch für Cannabis. Das heißt, dass bei Dienstantritt keinerlei Auswirkungen mehr vorhanden/nachweisbar sein dürfen. Das stellt die Unternehmen vor kaum zu bewältigende Probleme, da der Abbau beziehungsweise die Ausscheidungswege komplex sind und es von Person zu Person individuelle Unterschiede gibt. Screening-Untersuchungen im Urin oder Speichel sind nur aussagefähig, wenn nichts nachweisbar ist. Ergeben sich positive Befunde, sind für eine zuverlässige Beurteilung weitergehende Untersuchungen im Blut erforderlich.
Gefährdungsbeurteilung
Unabdingbar ist es, bei der Gefährdungsbeurteilung den Cannabis-Konsum als Gefährdungsfaktor zu berücksichtigen. Bei der Festlegung betrieblicher Maßnahmen oder Regelungen ist zu berücksichtigen, welche Auswirkungen der Konsum hat und welche Gefährdungen sich daraus für die Konsumierenden, die anderen Beschäftigten und für die Kunden beziehungsweise Fahrgäste oder andere Personen ergeben. Gerade hinsichtlich der Fahrtauglichkeit sollte berücksichtigt werden, dass es keine gesicherte Dosis-Wirkung-Beziehung bei Cannabis gibt, was die Ableitung eines Werts für die absolute Fahruntauglichkeit verhindert. Neben dieser verkehrsrechtlichen Bewertung ist wichtig zu wissen, ob die Beschäftigten zwischen Konsum und Fahren trennen können. Mangelt es an Bereitschaft oder Vermögen, ausreichend zu trennen, sind diese Personen nicht geeignet, ein Kraftfahrzeug für ein Verkehrsunternehmen zu führen, da sie eine potenzielle Gefahr für sich und andere im Straßenverkehr darstellen. Bei täglichem Konsum steht die Frage einer Suchterkrankung im Raum. Auch in diesem Fall ist die Fahrtauglichkeit infrage zu stellen. Wer täglich konsumiert, ist nicht geeignet für sicherheitsrelevante Tätigkeiten.
Verbot von Drogen und Alkohol
Das untermauert auch die DGUV Vorschrift 1 „Allgemeine Vorschriften“. Dort regelt Paragraf 15 Absatz 2, dass sich Versicherte durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen dürfen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Nach Absatz 3 gilt das auch für die Einnahme von Medikamenten.
Daraus lässt sich ein Verbot von Alkohol- und Drogenkonsum zumindest für die Tätigkeiten herleiten, bei denen die Beschäftigten sich oder andere gefährden können. Dies dürfte fast alle Tätigkeiten in einem Verkehrsunternehmen betreffen.
Aufklärung und Kommunikation
Wichtig sind Aufklärung und Kommunikation rund um das Thema. Dazu können Unterweisungen, Fahrerschulungen oder sonstige Dienstbesprechungen genutzt werden. Dabei sollte kommuniziert werden, dass analog zum betrieblichen Umgang mit Alkohol auch für Cannabis eine Null-Toleranz-Politik für sicherheitsrelevante Tätigkeiten besteht. Auswirkungen gerade des gelegentlichen Konsums auf die Fahrtauglichkeit sollten ebenso thematisiert werden wie sich daraus ergebende Verhaltensweisen, zum Beispiel Einhalten einer ausreichenden Zeitspanne zwischen Konsum und Arbeitsaufnahme. Unterstützung und Beratung können sich die Beschäftigten auch bei der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt holen. Diese werden das Thema zukünftig verstärkt bei der individuellen betriebsärztlichen Beratung im Rahmen der Eignungsuntersuchungen ansprechen.
Betriebliche Vereinbarungen
Für ein rechtssicheres betriebliches Vorgehen empfiehlt sich eine Betriebsvereinbarung. Darin können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Betriebsrat/Personalrat die Erwartungen, betriebliche Regelungen, Vorgaben und Restriktionen sowie das Vorgehen bei möglichen Drogentests vereinbaren. Das gibt Sicherheit und verhindert in vielen Fällen Diskussionen und Streitereien zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern.
Zwei Fragen an den Experten
Welche Auswirkungen hat die Legalisierung von Cannabis für die Verkehrsunternehmen?
Die Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ gilt unverändert für legale oder illegale Drogen und für Medikamente gleichermaßen. Dies hat sich durch die Legalisierung von Cannabis nicht verändert.
Müssen die Unternehmen neue Regeln aufstellen?
Nein. Der Wortlaut der innerbetrieblichen Regeln sollte lediglich überprüft werden.
Wie können Sie als Betriebsärztin das Unternehmen unterstützen?
Betriebsärztinnen und Betriebsärzte können Unternehmen und Beschäftigte zum Umgang mit Cannabis im betrieblichen Kontext beraten beziehungsweise aufklären.