Die arbeitsmedizinische Vorsorge wird für alle Unternehmen in der Verordnung zur Arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) geregelt. Danach ist bei Tätigkeiten mit bestimmten Gefahrstoffen oder biologischen Arbeitsstoffen sowie definierten Tätigkeiten, zum Beispiel mit Atemschutzgeräten, durch den Arbeitgeber eine Pflichtvorsorge zu veranlassen oder eine Angebotsvorsorge anzubieten.
Ziel der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist, arbeitsbedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und im besten Fall zu verhüten. Darüber hinaus leistet sie einen Beitrag zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und zur Fortentwicklung des betrieblichen Gesundheitsschutzes.
Die ArbMedVV hat die berufsgenossenschaftlichen Regelungen zur arbeitsmedizinischen Vorsorge für Beschäftigte abgelöst. Damit ist auch die Rechtsgrundlage für die berufsgenossenschaftlichen Grundsätze entfallen. Dies führte in der Praxis zu vielen Fragen und Unklarheiten, unter anderem, weil die ArbMedVV unbestimmte Rechtsbegriffe enthält. So wurden folgende Fragen aufgeworfen:
- Was bedeutet „regelmäßig“?
- Was ist eine „erhöhte Belastung oder Einwirkung“?
- Ist der Einsatz persönlicher Schutzausrüstung bei der Beurteilung zu berücksichtigen?
- Müssen Beschäftigte auch dann zur Vorsorge, wenn sie einmalig mit einem der genannten Stoffe hantieren?
- Dürfen Eignungsfeststellungen mit der Vorsorge zusammen durchgeführt werden?
Um diese Fragen zu erörtern, hat die VBG einen Workshop mit Fachkräften für Arbeitssicherheit und Betriebsärzten aus Verkehrsunternehmen durchgeführt. Bei diesem Austausch wurden Fragestellungen aus der Vorsorge auch in Abgrenzung zu Eignungsfeststellungen nach dem Verkehrs- und berufsgenossenschaftlichen Recht diskutiert. Im Ergebnis wurde die Erarbeitung einer Handlungshilfe zum Umgang mit der ArbMedVV empfohlen.
Handlungshilfe schafft Klarheit
Mit der VDV-Mitteilung 9068 „Arbeitsmedizinische Vorsorge – Leitfaden für die Anwendung der ArbMedVV“ steht allen Unternehmen der Branche jetzt eine Handlungshilfe zur praxisgerechten Umsetzung der ArbMedVV zur Verfügung. Die Schrift wurde in einer interdisziplinär besetzten Arbeitsgruppe erarbeitet. Neben der VBG waren Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit an der Erarbeitung beteiligt. Als Grundlage für die Beurteilung und Einstufung einzelner Belastungen wurden neben den praktischen Erfahrungen die Arbeitsmedizinischen Regeln (AMR), die Technischen Regeln für Gefahrstoffe und für biologische Arbeitsstoffe (TRGS und TRBA), Veröffentlichungen der VBG und der BAuA, Messberichte aus den Unternehmen und der VBG sowie Berufskrankheiten-Ermittlungen herangezogen. Mithilfe dieser Veröffentlichungen wurden die aufgeworfenen Fragen bewertet und beantwortet.
Zwei Fragen an die Fachkraft
Wie unterstützt die neue Schrift die Unternehmen?
Die Tabelle im Anhang der Schrift gibt sehr anschaulich einen Überblick über die in Verkehrsunternehmen typischen Gefährdungen bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen und mit physikalischen Einwirkungen. Damit liegt eine Grundlage für eine angemessene arbeitsmedizinische Vorsorge vor, da im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nun anhand dieser Tabelle die Vorsorgeanlässe ermittelt werden können. Besonders hilfreich ist, dass die Exposition der Mitarbeiter in den einzelnen Tätigkeitsfeldern betrachtet und bewertet wird, sodass konkrete Empfehlungen zum Vorsorgebedarf entstanden sind, die unternehmensübergreifend die Möglichkeit zur einheitlichen Bewertung bieten.
Welche Ratschläge würden Sie Fachkräften geben?
Nutzen Sie die Empfehlungen aus der Tabelle im Anhang der Schrift. Diese unterstützen Sie dabei, in den relevanten Tätigkeitsfeldern den konkreten Vorsorgebedarf zu ermitteln.
Die Schrift
Ziel der Arbeitsgruppe war es, mit der VDV-Mitteilung 9068 allen Unternehmen der Branche eine praxisnahe Handlungshilfe zur Verfügung zu stellen.
Diese Schrift besteht aus dem Textteil und aus dem Anhang, dem eigentlichen Kernstück des Werkes. Im Text werden wichtige Aspekte der ArbMedVV, auch die Pflichten der Unternehmen, aufgegriffen und wenn notwendig kommentiert. Die rechtliche Stellung der Arbeitsmedizinischen Vorsorge und die Abgrenzung zur Eignungsfeststellung werden erläutert.
Der Abschnitt „Grundsätze der Anwendung der ArbMedVV“ beschreibt Themen wie
- Datenschutz und Schweigepflicht,
- Beratung, Untersuchung, Biomonitoring,
- Risikobewertung,
- Fristen für die Vorsorge.
Daran schließt sich ein Kapitel mit Erläuterungen zum Umgang mit dem Anhang an.
Grundlage des Anhangs sind die Teile 1 bis 4 des Anhangs der ArbMedVV. Alle dort genannten Gefahrstoffe, biologischen Arbeitsstoffe und Tätigkeiten wurden von der Arbeitsgruppe bewertet. In Verkehrsunternehmen nicht vorkommende Expositionen wurden gestrichen. Relevante Gefährdungen aus der ArbMedVV wurden den in den Verkehrsunternehmen typischen Tätigkeitsfeldern zugeordnet und unter Berücksichtigung der Gefährdungsbeurteilung, der Fachmeinung und der betrieblichen Erfahrungen beurteilt. Aus dieser Beurteilung wurde dann eine Empfehlung für eine Pflicht- oder Angebotsvorsorge formuliert und für die betriebliche Anwendung begründet. Ergab die Beurteilung, dass trotz vorhandener Exposition eine Vorsorge nicht angezeigt ist, gibt es auch dafür eine entsprechende Begründung.
Diese Bewertungen sind übersichtlich in einer Tabelle im Anhang der Schrift dargestellt. Sie geben eine Empfehlung für die arbeitsmedizinische Vorsorge bei definierten, in den Verkehrsunternehmen üblicherweise vorkommenden Tätigkeiten. Bei besonderen Bedingungen, nicht typischen Tätigkeiten und Stoffen muss natürlich geprüft werden, ob sich daraus ein Vorsorgeanlass ergibt.
Grundlage der arbeitsmedizinischen Vorsorge ist die Gefährdungsbeurteilung. Gegenüber den sich daraus ergebenden technischen, organisatorischen und personenbezogenen Schutzmaßnahmen ist die Vorsorge nachrangig. Die Anwendung der VDV-Mitteilung ersetzt auch nicht eine umfassend durchzuführende Gefährdungsbeurteilung. Sie kann aber bei der Erstellung unterstützen.
Zwei Fragen an die Betriebsärztin
Wie profitieren die Betriebsärzte von der Handlungshilfe?
Die Handlungshilfe kann uns Betriebsärzte in zweifacher Hinsicht sehr gut unterstützen. Zum einen sind im ersten Teil die Grundlagen der ArbMedVV und viele Fragen zur Umsetzung praxisnah zusammengefasst. Das kann uns im Gespräch mit Unternehmern und Führungskräften helfen. Zum anderen ist die Tabelle im Anhang eine wertvolle Hilfestellung für die Beurteilung der Belastungssituation im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung. Es werden in Verkehrsunternehmen typische Tätigkeitsfelder betrachtet und bei den Empfehlungen zur Vorsorge sind Arbeitsplatzanalysen, Messergebnisse und Erfahrungen aus der Branche berücksichtigt. Diese „Recherchearbeit“ wäre für einen einzelnen Betriebsarzt in einem kleineren Verkehrsunternehmen sehr aufwendig und bei begrenzter Einsatzzeit sicher oft kaum leistbar.
Welche Tipps können Sie Ihren Kollegen geben?
Nehmen Sie die Handlungshilfe mit zu jeder Gefährdungsbeurteilung und haben Sie sie auch zur Hand bei jeder Vorsorge nach der ArbMedVV, denn auch bei der individuellen Arbeitsanamnese, beim Gespräch über die konkrete Arbeitsplatzsituation und bei der Beratung der Mitarbeiter können Sie die Handlungshilfe und vor allem den Anhang gut nutzen.