Der Fahrerarbeitsplatz im Niederflurlinienbus wird in der aktualisierten VDV-Schrift 234 detailliert beschrieben. Die VBG hat daran mitgewirkt, Anforderungen sowie Kriterien für die Gestaltung zu definieren. Sie können die Basis sein für das Lastenheft bei der Fahrzeugbeschaffung in den Mitgliedsunternehmen und Leitlinie für die Fahrzeughersteller.
In jedem Verkehrsunternehmen hat das Fahrpersonal den größten Anteil an der Gesamtbelegschaft. Da diese Personengruppe besonders verantwortungsvolle Aufgaben zu erfüllen hat, müssen im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen optimale Voraussetzungen dafür geschaffen werden.
Seit geraumer Zeit ist allerdings in der Branche zu beobachten, dass die Fahrzeughersteller zunehmend einen
herstellerspezifischen Fahrerarbeitsplatz durchsetzen beziehungsweise durchsetzen wollen. Dieser Trend läuft den Arbeitssicherheitsbestrebungen entgegen, da Fahrerinnen und Fahrer heutzutage in einer Schicht verschiedene Bustypen fahren müssen und Umstellungen bei der Bedienung zu Fehlern und Stress führen können.
Vor diesem Hintergrund hat in den letzten drei Jahren eine Arbeitsgruppe des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die aus dem Jahr 2000 stammende VDV-Schrift 234 „Fahrerarbeitsplatz im Niederflur-Linienbus“ komplett überarbeitet und aktualisiert. Dabei flossen die technische Entwicklung sowie die mittlerweile gewonnenen Erkenntnisse und Praxiserfahrungen mit dem standardisierten VDV-Fahrerarbeitsplatz ein.
In der Gruppe arbeiteten Vertreter aus den Verkehrsunternehmen, Fahrzeug- und Sitzhersteller sowie Arbeitsmediziner mit.
Ziel war es, ein ergonomisch und technisch optimiertes Gesamtkonzept für den Fahrerarbeitsplatz im Linienbus zu entwickeln. Dabei bediente sich die Arbeitsgruppe eines wissenschaftlichen Konzeptes, das vom Institut für Kraftfahrwesen (ika), dem Institut für Arbeitswissenschaft (iaw) und dem Berufsgenossenschaftlichen Institut für Arbeitssicherheit (ehemals BIA, heute IFA) erarbeitet wurde und sich im VDV bis heute als Standard bewährt hat. Die in der Schrift enthaltenen Anforderungen an den Fahrerarbeitsplatz im Niederflur- und Low-Entry-Linienbus sind wissenschaftlich begründet. Sie haben sich in der betrieblichen Praxis bewährt und berücksichtigen auch die Empfehlungen des EBSF (European Bus System of the Future) auf europäischer Ebene.
Inhalte der Schrift im Einzelnen
In den 13 Kapiteln werden die Komponenten und Merkmale, die den Fahrerarbeitsplatz ausmachen und beeinflussen, im Detail beschrieben.
- Bezugssystem für Maßangaben
- Fahrerarbeitsplatz allgemein
- Fahrersitz
- Gestaltung der Pedale
- Lenkung/Lenkrad
- Sicht
- Kontroll- und Informationselemente
- Betätigungselemente
- Flächen zur Aufnahme der Betätigungs-, Kontroll- und Informationselemente
- Kasse, Fahrscheindrucker und ITCS-Bediengerät (Kommunikation zwischen Fahrzeug und Leitstelle)
- Heizung, Lüftung und Klimatisierung
- Innengeräusche
- Fahrerassistenzsysteme
Das Bezugssystem
Ein klar definiertes Bezugssystem für den Fahrerarbeitsplatz ist wichtig bei der Erstellung von Lastenheften für die Beschaffung von Fahrzeugen. Auf diese Weise lässt sich gewährleisten, dass der Zugang zum Fahrerarbeitsplatz ausreichend groß und stabil bemessen ist. Auch entsprechende Ablagen für Fahrertasche, Fahrplan und Fahrerjacke werden in der VDV-Schrift gefordert. Da sich immer mehr Übergriffe auf das Fahrpersonal in den Bussen häufen, wird eine hochgezogene Kabinentür oder Schutzscheibe empfohlen.
Der Fahrersitz
Ein wichtiges Element des Fahrerarbeitsplatzes ist der Fahrersitz mit seinen vielfältigen Einstellmöglichkeiten. Er wird gegebenenfalls täglich von verschiedenen Personen für jeweils mehrere Stunden genutzt und sollte höchsten Ansprüchen genügen. Dies betrifft zum Beispiel die horizontale und vertikale Verstellbarkeit, die Sitzlehnen- und Sitzflächenanpassung sowie deren Belüftung ebenso wie die Federung und Dämpfung. Auch die möglicherweise erforderliche Drehbarkeit des Sitzes für den Fahrscheinverkauf sollte berücksichtigt werden, um eine optimale Sitzposition zu erlangen.
Erreichbarkeit der wichtigsten Funktionen
In der individuell eingestellten Sitzposition muss es dem Fahrpersonal möglich sein, mit den Füßen die Pedale behinderungsfrei zu betätigen und gleichzeitig ausreichende Sicht nach außen zu haben, gemäß den verkehrsrechtlichen Vorgaben. Das gilt es zu gewährleisten, sowohl für die kleinste als auch für die größte Person, die diesen Fahrersitz im Linienbetrieb nutzt. Als Fahrpersonal sind Fahrerinnen und Fahrer mit einer Körpergröße von circa 1,64 Metern bis circa 2,00 Metern berücksichtigt worden. Diesen Anforderungen werden Sitze gerecht, die mindestens die vorgegebenen horizontalen und vertikalen Einstellbereiche aufweisen. Bei abweichender Körpergröße empfiehlt sich eine individuelle Beurteilung, einschließlich einer Praxiserprobung im Fahrzeug, bei der nachgewiesen wird, dass sicherheitsrelevante Bedienelemente, zum Beispiel Schalter, Taster, Lenkrad und Pedale, sicher betätigt werden können.
Sämtliche Kontroll-, Informations- und Betätigungselemente sollten gut sichtbar und in der jeweiligen Sitzposition zu erreichen sein. Die Anordnung dieser Elemente erfolgt gemäß der Häufigkeit ihrer Anwendung.
Zur Erfüllung all dieser Anforderungen definiert die VDV-Schrift klare Kriterien, auch unter Berücksichtigung der aktuellen technischen Entwicklungen.
Drei Fragen an den Fachbereichsleiter
Welches Ziel wird mit der VDV-Schrift 234 verfolgt?
So eine Schrift ist nicht rechtsverbindlich. Sie kann es aber werden, wenn sie Vertragsgrundlage bei der Fahrzeugbeschaffung ist. Dann sind die Fahrzeugeigenschaften definiert, was hilfreich ist für Kunden und Fahrzeughersteller.
Wie profitiert das Fahrpersonal davon?
Das Fahrpersonal hat einen weitestgehend einheitlichen, ergonomischen Arbeitsplatz, der unabhängig ist vom Fahrzeughersteller oder Fahrzeugtyp.
Welche Erfahrungen gibt es hinsichtlich der Anwendung der Schrift?
Die VDV-Schrift 234 ist die am häufigsten nachgefragte VDV-Schrift überhaupt.