Jede lockere Radverschraubung ist eine zu viel. Denn auch wenn dies relativ selten vorkommt, können die Auswirkungen, wie im schlimmsten Fall ein Radverlust, erheblich sein. Die Dresdner Verkehrsbetriebe AG (DVB) setzen in ihrer Buswerkstatt jetzt auf einen komplett digitalisierten Prozess.
Die Montage von Rädern an Kraftomnibussen nach den entsprechenden Herstellervorgaben war bei den DVB – wie allgemein in den Unternehmen des ÖPNV – bislang Vertrauenssache. Ein schwierig prüfbares Feld – kam es doch in der Vergangenheit über die Jahre immer wieder zu lockeren Radschrauben. Selbst der organisatorisch durchgeplante Prozess bot hier keine vollständige Sicherheit. Bislang gab es keine Möglichkeit, revisionssicher nachzuweisen, dass die Radverschraubungen korrekt festgezogen waren. Das galt auch für die regelmäßige Überprüfung der Verschraubungen zu den Wartungsintervallen.
Neue Geräte für die Werkstatt
Die DVB haben hier nun einen ganz neuen Weg eingeschlagen. Im Mittelpunkt stehen dabei digital registrierende, akkubetriebene Drehmoment-Kraftschrauber. „Seit wir diese neuen Geräte in unserer Buswerkstatt eingeführt haben, sind wir in der Lage, die Drehmoment- und Drehwinkelwerte in einer Datenbank einzusehen, auf Übereinstimmung mit den Vorgaben zu überprüfen und zu dokumentieren“, berichtet Werkstattleiter Jürgen Gableske (siehe auch Interview).
Die DVB haben derzeit für drei Bereiche der Kfz-Werkstatt digitale Kraftschrauber beschafft und damit die druckluftbetriebenen Pistolenabschaltschrauber abgelöst. „Mit den softwaregesteuerten Schraubern können wir alle vorgenommenen Schraubfälle digital aufzeichnen. Diese Dokumentation verschafft uns die notwendige Beweissicherheit für die sensiblen Radverschraubungen“, so Gableske.
Voreingestellte Parameter
In der Software sind die Parameter für die einzelnen Schraubfälle voreingestellt. Diese Einstellungen sind zugriffsgeschützt abgelegt.
Um zusätzlich eine schonende Arbeitshaltung zu ermöglichen, werden die Schrauber an ergonomischen Sitzlösungen, sogenannten Ergo-Seats, betrieben. Diese sind mit einem Federzug ausgestattet, der die Druckluftwerkzeuge für die jeweilige Anwendung hält. Das entlastet die Monteurinnen und Monteure, da für ihre Tätigkeit jetzt deutlich weniger Kraftaufwand im Arm nötig ist.
Automatischer Datenaustausch
Der Schrauber wird bei jedem Vorgang über einen Barcodescanner mit den notwendigen Informationen zum Auftrag, zur ausführenden Person und zum ausgewählten Schraubprogramm versorgt. Die erreichten Anzugsdrehmomentwerte werden via WLAN an eine Datenbank gesendet und archiviert. Auf diese Weise lassen sich sämtliche Schraubfälle dokumentieren.
Transparenter Prozess
Weil die Schraubfälle und die Einhaltung der Montagetechnologien registriert werden, ist der gesamte Arbeitsprozess jetzt transparent und dokumentierbar geworden. Die Registratur lässt eine visuelle Überprüfung zu. Hierbei werden nicht nur gelockerte, sondern auch zu fest angezogene Radmuttern identifiziert. Dadurch müssen festsitzende Radschrauben nun bei der planmäßigen Instandhaltung nicht mehr losgebrochen werden. In der Folge braucht diese Radschrauben dann anschließend auch niemand mehr nach 50 Kilometern zu überprüfen. Das entlastet die Monteurinnen und Monteure nachweislich in ihrem Arbeitsalltag.
Drei Fragen an den Experten
Abgesehen von mutmaßlich fehleranfälligen Radverschraubungen in der Vergangenheit, was waren weitere Gründe für den Einsatz des digital registrierende Akku- Drehmomentschrauber?
Der Nachweis über die erzielten Zustände der Schraubfälle gegenüber Ermittlungsbehörden. Ein weiterer Vorteil ist: Die Überprüfung des Festsitzes der Radschrauben im Rahmen der planmäßigen Instandhaltung geschieht im Falle des tatsächlichen Festsitzes ohne das Losbrechen der Radschrauben. Damit wird sozusagen ein neuer Montagefall ausgeschlossen, der ja wieder der Überprüfung des Festsitzes nach 50 Kilometern bedurft hätte. Zusätzlich ergibt sich durch den kombinierten Einsatz mit dem Ergo-Seat für den Beschäftigten eine enorme Arbeitserleichterung im Einsatz.
Wie hat sich die Fehlerquote der Radverschraubungen durch den Einsatz des digital registrierende Akku- Drehmomentschrauber entwickelt?
Auch wenn in der Vergangenheit eine gelockerte Radverschraubung nur sehr selten festgestellt worden ist, können die Auswirkung, wie zum Beispiel ein Radverlust, erheblich sein. Zum jetzigen Zeitpunkt konnten nach Einführung des digital registrierenden Akku-Drehmomentschrauber bei der DVB AG keine weiteren fehlerhaften oder lockeren Radverschraubungen ermittelt werden.
Werden die Werkstattprozesse digitaler umgesetzt?
Auch wenn die Fehlerquote bei der Einführung digitaler Werkstattprozesse eher eine untergeordnete Rolle spielt, ergeben sich hierdurch grundsätzliche Potentiale zur Fehlerminimierung. Jedoch sind die eigentlich treibenden Anforderungen zur Digitalisierung von Werkstattprozessen die Notwendigkeit zur Verschlankung, Automatisierung und Optimierung der Prozesse (zum Beispiel Einführung von Tablets in der Werkstatt). Ein ausschlaggebendes Kriterium zur Nutzung des vorhandenen Potentials ist natürlich die Einbeziehung der Beschäftigten, speziell der Führungskräfte, im Entwicklungsprozess.