Gesundheitsschutz im Fokus – Einheitliche EU-Standards für Straßenbahnen

Für Fahrerinnen und Fahrer von Straßenbahnen sind diese Arbeitsmittel. Sie müssen sowohl den Anforderungen des Verkehrsrechts als auch den Anforderungen der Arbeitssicherheit und des Gesundheitsschutzes entsprechen. Dafür macht sich die VBG in internationalen Normungsgremien stark.

In Europa gilt heute: eine Norm – ein Test, überall in Europa akzeptiert. Einheitliche europäische Normen haben technische Handelshemmnisse in der Europäischen Union weitgehend beseitigt. Das soll zukünftig auch für Straßenbahnen gelten.

Beschaffung von Straßenbahnen

Die Anwendung von Normen ist freiwillig und nicht verpflichtend. Bindend werden Normen nur dann, wenn sie Gegenstand von Verträgen zwischen Parteien sind oder wenn der Gesetzgeber ihre Einhaltung zwingend vorschreibt. Normen sind eindeutige und anerkannte Regeln der Technik, daher bietet der Bezug auf Normen in Verträgen Rechtssicherheit. Diese Tatsache ist sowohl für die Verkehrsunternehmen als auch für Hersteller bei der Beschaffung von Straßenbahnfahrzeugen von enormer Bedeutung. Die Erarbeitung von Lastenheften und der daraus resultierenden Pflichtenhefte wird immens erleichtert, wenn auf Normen Bezug genommen werden kann. In Deutschland gibt es seit vielen Jahren für Schienenfahrzeugführer­räume die DIN 5566 Teil 1–3. Sie wurde in enger Begleitung der Berufsgenossenschaft erarbeitet und hat sich bewährt.

Arbeitsschutz und Normung

Seitens der VBG steht für die Branche ÖPNV/ Bahnen die Gestaltung des Führerraums der Schienenfahrzeuge im Fokus, um hier ergonomische und gesundheitsrelevante Aspekte einfließen zu lassen. Vertreter der VBG arbeiten zu diesem Thema sowohl bei der Normung von Eisenbahnfahrzeugen als auch bei Straßenbahnfahrzeugen in den jeweiligen Arbeitsgruppen auf europäischer Ebene mit. Die bewährten Inhalte der DIN 5566 sollen in die neue europäische Norm für Straßenbahnen EN 16186 Teil 5–8 einfließen. Darin werden auf Basis der menschlichen Körpermaße zum Beispiel Anforderungen an die erforderlichen Kniefreiräume, Greif- und Arbeitsbereiche sowie die Anordnung und Lage der Bedienelemente formuliert. Häufig zu betätigende Stell- und Bedienteile sollen schnell und für das Fahrpersonal leicht erreichbar sein. Weiterhin sind unter anderem die Stellkräfte für den Sollwertgeber definiert, die Gestaltung und Beschaffenheit des Führerpults und des Fußbodens sind beschrieben. Hinzu kommen noch die Festlegung der maximalen Lärmbelastung und die Gestaltung des Fahrersitzes. Es gilt dabei zu berücksichtigen, dass auch die Anforderungen aus dem Verkehrsrecht aller beteiligten Länder, zum Beispiel bezüglich der ausreichenden Sicht nach außen für Fahrerinnen und Fahrer jeglicher Körpergröße, erfüllt werden. Relevant für den Gesundheitsschutz des Fahrpersonals sind ebenfalls die Themen „Klimatisierung“ und „Beleuchtung“. Seit Erstellung der DIN 5566 im Jahr 2000 ist die technische Entwicklung vorangeschritten, die sich in der neuen Norm niederschlagen muss. So können jetzt etwa Kamerasysteme als Ersatz für Spiegel die Sicht sowohl im Fahrzeug als auch im Außenbereich verbessern. Durch die Verwendung multifunktionaler Touchdisplays kann die Anzahl der Bedienteile verringert und die Übersichtlichkeit auf dem Fahrerpult verbessert werden.

In den Arbeitsgruppen oder Workinggroups wird von den aus unterschiedlichen interessierten europäischen Staaten entsandten Vertreterinnen und Vertretern effektiv zusammengearbeitet. Die Interessen von Herstellern und Betreibern sind nicht selten gegensätzlich, ähnlich wie bei den Mitwirkenden der beteiligten Staaten. Aber bislang wurden noch immer Lösungen zum Wohle der Fahrerinnen und Fahrer gefunden, auf der Basis von Geben und Nehmen.

Beim Gesundheitsschutz und bei der Sicherheit sollte nicht nur dem Fahrpersonal bei der Normung Beachtung geschenkt werden, sondern auch dem Instandhaltungspersonal. Die einzelnen Komponenten und Bauteile der Straßenbahnfahrzeuge müssen für Reparatur und Wartung leicht und sicher zugänglich und bearbeitbar sein. Die VBG hat über das DIN diesbezüglich einen Normungsvorschlag eingereicht.

Die VBG bringt die Vorschläge in die europäischen Normungsgremien ein und wird sich in der Workinggroup weiterhin nach Kräften zum Wohle der Branche einsetzen.

Drei Fragen an den Experten

Welchen Sinn hat das Engagement der VBG bei der Normung von Schienenfahrzeugen?

Bislang werden wir konsultiert, wenn unsere Mitgliedsunternehmen neue Fahrzeuge beschaffen. Wenn die Aspekte des Arbeitsschutzes schon in der Norm verankert sind, und diese ist Vertragsbasis bei der Beschaffung, verringert sich der Aufwand für alle Beteiligten bei zukünftigen Fahrzeugkäufen.

Wie gestaltet sich die internationale Zusammenarbeit bei der Normung?

Die Sichtweisen der Vertreterinnen und Vertreter aus den jeweiligen Ländern auf verschiedene Probleme sind teilweise recht unterschiedlich. Hier einen für alle akzeptablen Kompromiss zu finden, ist die Herausforderung.

Wie lange dauert es, solch eine Norm wie die EN 16186 zu erstellen?

Die ersten Sitzungen für die Teile 5–8 der Norm fanden Anfang 2018 statt, und es wird wohl noch bis Mitte 2020 dauern, bis die Norm nach dem üblichen Umfrage- und Beteiligungsverfahren verabschiedet werden kann.

Dipl.-Ing. Klaus Gaik
Dipl.-Ing. Klaus Gaik, Vertreter der VBG in der Workinggroup

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