Leitfaden Elektromobilität – Arbeiten an Hochvoltfahrzeugen

Die VBG unterstützt Verkehrsunternehmen des öffentlichen Personen­nahverkehrs bei der Einführung von Bussen mit Hochvolt­systemen. Der aktuell überarbeitete Leitfaden bietet Hilfe­stellung und Handlungs­anweisungen für die Erstellung eines betrieblichen Konzepts zur Einführung und zum sicheren Betrieb von Hochvolt­bussen sowie zur Anpassung der Infrastruktur. Dies umfasst neben rein elektrischen Bussen auch Hybrid- und Brennstoffzellenbusse.

Immer mehr Verkehrsbetriebe werden in den nächsten Jahren ihren Linienbetrieb teilweise oder vollständig auf Elektrobusse oder Wasserstoff- beziehungsweise Brennstoffzellenbusse umstellen. Die Umstellung stellt viele Betriebe vor große Herausforderungen. Der Einsatz dieser Busse führt zu neuen Gefährdungen, sodass eine Anpassung der Infra­struktur und der betrieblichen Abläufe nötig ist. Erforderlich sind außerdem die Beschaffung zusätzlicher Werkstattausrüstung sowie die Zusatzqualifikation der Beschäftigten.

Sicherheit hat Priorität

Eine Auswahl an Schutzkleidung und speziellem Werkzeug für die Arbeiten an HV-Systemen
Elektrotechnische Arbeiten unter Spannung erfordern den Einsatz von zugelassenen Werkzeugen und persönliche Schutzausrüstung für Arbeiten an HV-Systemen.

Betriebe, die Elektro- oder Hybridbusse mit Hochvolttechnik (HV) einsetzen, müssen ihre betrieblichen Gegebenheiten an die Fahrzeugtechnik anpassen. Die Sicherheit der Beschäftigten hat für Betrieb und Instandhaltung oberste Priorität. Bei der Beschaffung und dem Einsatz der Fahrzeuge sind die verantwortlichen Führungskräfte im Verkehrsunternehmen deshalb gefordert, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie ein sicherer Betrieb und eine sichere Instandhaltung gewährleistet werden können. Die VBG stellt Unternehmen einen Leitfaden zur Erarbeitung eines betrieblichen Konzepts für derartige Fahrzeuge zur Verfügung. Dieser wurde aktuell überarbeitet und enthält Hinweise und Hilfestellungen zu den Themen Gefährdungsbeurteilung, Anpassung des Werkstattbetriebs und der Infrastruktur, Qualifizierung der Beschäftigten sowie eine Reihe von Musterdokumenten für die praktische Anwendung.

Gefährdungsbeurteilung

Neue Gefährdungen für die Beschäftigten sind unabhängig vom Fahrzeugtyp und Fahrzeughersteller zu berücksichtigen. Deshalb muss die Gefährdungsbeurteilung entsprechend ergänzt werden. In erster Linie geht es dabei um elektrische Gefährdungen (Körperdurchströmung, Lichtbogen) durch die Spannung des HV-Systems von mehreren Hundert Volt, die bei konventionellen Bussen so nicht auftreten. Des Weiteren können zusätzliche Gefährdungen durch heiße Oberflächen und Medien oder insbesondere im Störungsfall durch Brand und Explosion oder das Freiwerden von Gefahrstoffen auftreten.

Technik und Organisation

Ein in der Werkstatt vorhandener Kran hilft zwei Angestellten beim heben einer schweren Last
Für die Montage und Demontage von schweren HV-Komponenten sind Einrichtungen zur Lastenhandhabung und zum Lastentransport vorzusehen.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung werden verschiedene Maßnahmen identifiziert, die eine Anpassung von Technik und Organisation nach sich ziehen. Dazu gehören Arbeitsstände für Tätigkeiten an Fahrzeugdach-Komponenten. Ebenso müssen Hilfsmittel zur Handhabung schwerer Lasten (Energiespeicher), geeignete Werkzeuge und persönliche Schutzausrüstungen sowie Arbeitsplätze für elektrische Prüfungen vorhanden sein. Auch die Organisation des Werkstattbetriebs sowie das Management von Verkehrsunfällen oder Störungen müssen entsprechend angepasst werden. Zuständigkeiten und Arbeitsaufgaben sind klar zu definieren und zu kommunizieren. Die Erstellung neuer Betriebsanweisungen dient der Information der Beschäftigten und sollte tätigkeitsbezogen erfolgen.

Kenntnisse und Fähigkeiten

Ein Dacharbeitsstand für das sichere Arbeiten an der Oberseite von Bussen
Die HV-Komponenten befinden sich oftmals auf dem Fahrzeugdach. Deshalb ist ein Dacharbeitsstand für Arbeiten an diesen Komponenten zwingend erforderlich.

Die Qualifikation der Beschäftigten ist eine grundlegende Voraussetzung für sicheres Arbeiten. Nur mit den notwendigen Kenntnissen und Fähigkeiten kann eine unfall- und störungsfreie Arbeit gewährleistet werden. Oft verfügen Kfz-Handwerker lediglich über elektrotechnische Grundkenntnisse, die für ein sicheres Arbeiten an Omnibussen mit HV-Systemen nicht ausreichen. Aus diesem Grund wurde ein ­Konzept zur Qualifizierung in mehreren, aufeinander aufbauenden Stufen entwickelt. Dort werden sowohl die Eingangsqualifikation (Vorbildung) als auch die geforderte Qualifikation entsprechend der Arbeitsaufgabe berücksichtigt. Die dafür erforderlichen Zeiten wurden an die Vorgaben der DGUV Information 209-093 „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“ angepasst. Dabei wurde berücksichtigt, dass Omnibusse mit Elektroantrieb deutlich komplexere Systeme darstellen als beispielsweise Hybrid-Pkw. Im Rahmen der Arbeiten an HV-­Systemen ist es unerlässlich, den Beschäftigten die theoretischen elektrotechnischen Grundlagen zu vermitteln. Dafür können unterstützend auch digitale Medien, zum Beispiel E-Learning, eingesetzt werden. Des Weiteren ist sicherzustellen, dass die Beschäftigten die praktischen Fertigkeiten im Umgang mit den jeweiligen HV-Komponenten, Werkzeugen und Hilfsmitteln erwerben. Zur Ermittlung des Qualifizierungsbedarfs werden Qualifikationsmatrix und Flussdiagramme eingesetzt. Die Ausbildungsinhalte sowie der zeitliche Umfang der einzelnen Stufen sind übersichtlich in einer Zusammenstellung dargestellt.

Handlungshilfen auf der VBG-Website

Der Leitfaden wurde auf der Website der VBG veröffentlicht, kann aber von interessierten Verkehrsunternehmen auch als Druckversion angefordert werden. Die in dieser Broschüre enthaltenen sowie ergänzende Handlungshilfen stehen als Musterdokumente zum Download zur Verfügung, müssen aber an die betrieblichen Gegebenheiten angepasst werden.

Drei Fragen an den Experten

Was ist neu in dem Leitfaden?

Der Leitfaden enthält Hilfen und Hinweise für Infra­struktur­maßnahmen und die Festlegungen technischer, organisatorischer und personen­bezogener Maßnahmen bei der Einführung von Omni­bussen mit Wasser­stoff- oder HV-Systemen.

Wo sind die Unterschiede zu anderen Fahrzeugarten?

Der Aufbau des elektrischen Antriebs­strangs von Bussen mit Hoch­volt­systemen (HV-Busse), zu denen auch Brenn­stoff­zellenbusse gehören, unter­scheidet sich deutlich vom Aufbau des elektrischen Antriebs­strangs von HV-Pkw.

Wie wirkt sich das aus?

Omnibusse mit Hochvoltsystemen sind sehr komplex. Zudem sind die Modell­reihen sehr unter­schiedlich und teil­weise nicht HV-eigensicher aufgebaut. Das bedeutet, dass durch technische Maßnahmen am Fahrzeug für die Beschäftigten ein vollständiger Berührungs- und Licht­bogen­schutz gegenüber dem HV-System gewährleistet ist. Das ist wichtig, denn die Traktions­batterien haben einen sehr hohen Energie­inhalt und es treten hohe Spannungen, Ströme und elektrische Leistungen auf.

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