Triebfahrzeugführer und Lokrangierführer mit Lärmgefährdung müssen speziellen Gehörschutz tragen. Einige Eisenbahnunternehmen haben bereits umfangreiche Erfahrungen mit dem dafür entwickelten Auswahl- und Einsatzverfahren für Gehörschutz. Daraus ergeben sich Empfehlungen, von denen alle anderen Eisenbahnunternehmen nun profitieren können.
Anfang Oktober 2018 haben sich Branchenexperten der Unfallversicherung Bund und Bahn (UVB) und der VBG mit Vertreterinnen und Vertretern der Mitteldeutschen Eisenbahn GmbH (MEG) und der Verkehrsbetriebe Peine-Salzgitter GmbH (VPS) getroffen. Dabei ging es um Praxiserfahrungen der Unternehmen mit Lärmschutzmaßnahmen für Triebfahrzeugführerinnen und Triebfahrzeugführer (Tf) sowie Lokrangierführerinnen und Lokrangierführer (Lrf). Im Mittelpunkt standen dabei die Auswahl und der Einsatz eines geeigneten Gehörschutzes, mit dem die sicherheitsrelevanten Signale und Geräusche weiterhin gut gehört werden können, sowie die dafür erforderlichen individuellen Hörproben.
Auslösewerte überschritten
Nachdem die Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung (LärmVibrationsArbSchV) im März 2007 in Kraft getreten war, musste auch für die Tf und Lrf erneut geprüft werden, ob sie einer Lärmgefährdung ausgesetzt sind. Ergebnis von Messungen ist, dass bei Tf im Streckendienst nur bei wenigen Lokomotiven der untere Auslösewert des Tages-Lärmexpositionspegels LEX,8h = 80 dB(A) überschritten wird. Anders ist es bei Lrf, bei denen in vielen Fällen der untere Auslösewert, in nicht wenigen Fällen aber auch der obere Auslösewert LEX,8h = 85 dB(A) überschritten wird. Die Lärmgefährdung kann in der Regel nicht durch technische oder organisatorische Maßnahmen beseitigt werden. Den Tf und Lrf muss bei Überschreiten des unteren Auslösewertes geeigneter Gehörschutz zur Verfügung gestellt werden. Bei Erreichen oder Überschreiten des oberen Auslösewertes ist dieser zwingend zu tragen.
Herausforderung: Signaltöne

Im Eisenbahnbetrieb darf aber das Hören von sicherheitsrelevanten Signalen und Geräuschen nicht beeinträchtigt werden, zum Beispiel Funkgespräche, Typhonsignale anderer Triebfahrzeuge. Das ist zunächst ein massiver Zielkonflikt. Um die Eisenbahnunternehmen bei dieser Herausforderung zu unterstützen, wurde auf Initiative der VBG ein Projekt aufgelegt. Daran haben eine Reihe von Eisenbahn- und Lärmexperten mitgewirkt.
Ergebnis ist das „Auswahl- und Einsatzverfahren für Gehörschutz für Tf und Lrf“. Bei dessen Anwendung wird gewährleistet, dass sicherheitsrelevante Signale und Geräusche mit Gehörschutz genauso gut gehört werden wie ohne Gehörschutz. Das Verfahren wurde im September 2011 in der Praxishilfe „Lärmschutzmaßnahmen für Triebfahrzeugführer und Lokrangierführer“ (BGI/GUV-I 5147) veröffentlicht.
Individuelle Hörprobe
Unbefriedigend war damals, dass die geforderte individuelle Hörprobe nur in den Betriebsgleisen durchgeführt werden konnte. Diese ist relativ aufwendig und lärmintensiv. Daher wurde in einem Folgeprojekt mit den gleichen Beteiligten eine Hörprobe entwickelt, die in Büroräumen oder Arztpraxen unter Verwendung nachgestellter Stör- und Signalgeräusche durchgeführt werden kann. Für diese Hörprobe steht das Prüfsystem RaLa-GS (Rangierlärm-Gehörschutz-Test) der Firma Müller-BBM GmbH zur Verfügung. Auch der Anwendung dieses Verfahrens haben die Eisenbahnaufsichtsbehörden zugestimmt. Beschrieben ist das Verfahren in der 2016 aktualisierten Praxishilfe, nun VBG/UVB-Fachinformation „Lärmschutzmaßnahmen für Triebfahrzeugführer und Lokrangierführer“ Version 2.0/2016-04.
Damit stehen den Eisenbahnunternehmen praxisgerechte Lösungen zur Verfügung, wie den Tf und Lrf mit Lärmgefährdung ein geeigneter Gehörschutz nach einem mit den Eisenbahnaufsichtsbehörden abgestimmten Verfahren zur Verfügung gestellt werden kann.
Empfehlungen für die Auswahl und die Beschaffung von geeigneten Gehörschutzmaßnahmen |
Als Gehörschutz sind Gehörschützer mit der Kennzeichnung E (für „Signalhören für Tf und Lrf im Eisenbahnbetrieb möglich“) erforderlich. |
Am besten geeignet sind Otoplastiken (hohe Akzeptanz bei den Beschäftigten), Auswahl und Suche sind aufwendig. |
Gehörschützer mit der Kennzeichnung E1 sind am besten geeignet, um die Hörprobe erfolgreich zu bestehen (auch für Personen mit beginnender Hörminderung). |
Otoplastiken erfordern bei jedem Beschäftigten eine Ohrabformung (Abdrucknahme) und bei der Auslieferung des fertigen Gehörschutzes eine Funktionsprobe durch eine fachkundige Person in der Regel des Gehörschutzlieferanten). Entweder man holt die fachkundige Person in das Unternehmen oder die Beschäftigten gehen in Filialen eines vertraglich gebundenen Gehörschutzlieferanten in Wohnortnähe. |
Den Beschäftigten ist zu vermitteln, dass sie sich erst nach etwa drei Monaten an das Hörgefühl mit eingesetzten Otoplastiken gewöhnt haben werden. |
Am Einsatzort sollten zusätzlich Gehörschutzstöpsel (E1) zur Verfügung gestellt werden, die bis zur Erstausstattung der Beschäftigten mit Otoplastiken, beziehungsweise im Fall, dass sie die Otoplastiken einmal zu Hause vergessen haben, benutzt werden können. |
Bei Otoplastiken ist die regelmäßig wiederkehrende Funktionskontrolle im Abstand von höchstens drei Jahren durch eine fachkundige Person zu organisieren, zum Beispiel durch den Gehörschutzlieferanten oder Betriebsarzt. |
Die vollständige und ordnungsgemäße Gehörschutzausstattung aller Tf und Lrf mit Lärmgefährdung muss insbesondere bei größeren Unternehmen in geeigneter Weise überwacht werden. |

Praktische Empfehlungen
Bei dem Treffen der Eisenbahnexperten im vergangenen Oktober wurden die bisherigen Erfahrungen vorgestellt und diskutiert. Davon ausgehend können allen Eisenbahnunternehmen praktische Empfehlungen für die erfolgreiche Anwendung der Fachinformation „Lärmschutzmaßnahmen für Triebfahrzeugführer und Lokrangierführer“ gegeben werden:
Prüfen Sie, ob Tf und Lrf in Ihrem Unternehmen einer Lärmgefährdung ausgesetzt sind. Bei Lrf sind dazu in der Regel Lärmmessungen erforderlich. Kann die Lärmgefährdung nicht durch technische und organisatorische Maßnahmen beseitigt werden, ist Gehörschutz zu benutzen. Dafür steht Ihnen das in der VBG/UVB-Fachinformation „Lärmschutzmaßnahmen für Triebfahrzeugführer und Lokrangierführer“ beschriebene Auswahl- und Einsatzverfahren zur Verfügung. Berücksichtigen Sie die oben zusammengestellten Praxiserfahrungen.
Empfehlungen zur Durchführung der individuellen Hörprobe mit dem Prüfsystem RaLa-GS, hier die wichtigsten:
Seit wann kommt Gehörschutz bei Ihnen zum Einsatz?
Seit Mitte 2014 bieten wir Otoplastiken an. Diese werden vor allem von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rangierbetrieb getragen.
Haben Sie im Vorwege Lärmmessungen durchgeführt?
Ja, dabei haben wir festgestellt, dass die Lärmbelastung im Rangierbetrieb – etwa beim Befahren von Gleisbögen – höher ist als im regulären Streckendienst.
Wie nehmen Ihre Beschäftigten die Maßnahmen an?
Bei individuell angepassten Otoplastiken, die einen hohen Tragekomfort bieten, ist die Akzeptanz deutlich höher als bei fertig geformten „Stöpseln“.
Welchen Rat würden Sie anderen Eisenbahnunternehmen geben?
Die Einbindung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war uns wichtig und ist sicher ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
