Der Bau einer Schienenfahrzeugwerkstatt ist ein überaus komplexes Vorhaben, das eine sorgfältige Planung erfordert. Entscheidend für Wirtschaftlichkeit und Sicherheit sind hierbei unter anderem die Auswahl des Grundstücks, die Organisation der Materialwirtschaft sowie die Gestaltung der Arbeitsstände und Verkehrswege.
Die VBG-Branchenexperten haben im Rahmen ihrer Betriebsbetreuung zahlreiche Neu-, Um- und Ausbauvorhaben von Schienenfahrzeugwerkstätten begleitet. Dabei hat sich gezeigt, dass verschiedene Kriterien ausschlaggebend für den Erfolg solcher Anlagen sind. Unerlässlich ist eine sorgfältige Planung, denn sie entscheidet unter anderem über die Folgekosten der Anlagen, die üblicherweise jahrzehntelang betrieben werden sollen. Die Planung muss die technischen Gegebenheiten, Instandhaltungsverfahren und die aktuellen Anforderungen an die Betriebsanlagen berücksichtigen. Gut durchdachte Werkstätten verringern dabei auf längere Sicht die Betriebskosten erheblich. Aber auch Sicherheit und Gesundheitsschutz in einer sich demografisch wandelnden Welt sind dabei zu berücksichtigen und können, wenn sie gut organisiert sind, ein Erfolgsfaktor sein.
Auswahl von Grundstücken
Insbesondere bei Neubauten ist die Auswahl des Grundstücks von entscheidender Bedeutung. Ist nur eine Werkstatt im Bediengebiet geplant, sollte diese im Schwerpunkt des verkehrlichen Wirkungsbereiches liegen. Sind hier keine geeigneten Neubauflächen verfügbar, schlagen sich anschließend Kostenfaktoren wie die Trassenpreise für längere Anfahrten oder erhebliche Leerkilometer bei abgelegenen Werkstätten negativ nieder.
Ferner gilt es zu prüfen, ob neben dem störungsfreien Streckenanschluss auch ein erhöhter Rangieraufwand vermieden werden kann. In das Betriebsgelände sollte direkt ein- und ausgefahren werden können, ein „Hineinsägen“ ist zu vermeiden. Dies führt zu langfristig niedrigere Personalkosten. Häufig zu sehen sind Lösungen, die den gesamten Verkehr zur Werkstatt über eine Weiche führen. Das ist nicht nur im Winter ungünstig, wenn Anlagen einfrieren können. Grundsätzlich sollte wenigstens eine Not- beziehungsweise Ersatzzufahrt vorhanden sein. Auch der Straßenanschluss ist ein wichtiges Kriterium. Hier sollte für anliefernde Lkw eine Zufahrt zum Lager mit Wendemöglichkeit vorhanden sein.
Nicht zu vernachlässigen sind – neben dem Umweltschutz – das betriebliche Umfeld mit der Nähe zu Wohnbebauungen, denn Emissionen, beispielsweise Lärm bedingt durch enge Gleisradien, sind im Werkstattbetrieb zu erwarten. Ebenso müssen alle Auflagen erfüllt werden, die sich aus Umweltschutzforderungen ergeben, insbesondere nach dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und den Landeswassergesetzen (LWG). Auch müssen gegebenenfalls Kosten für zusätzliche Baumaßnahmen wie Hallenabstellung und Schallschutz berücksichtigt werden.
Materiallager
Die notwendige Größe und Anordnung von Lagerflächen wird im Wesentlichen vom vorhanden Fahrzeugpark, dem Instandhaltungsverfahren und der Lieferfähigkeit des Herstellers der Fahrzeuge bestimmt. An den Arbeitsständen ist Platz für ein Handlager für Normteile wie Schrauben und Muttern einzuplanen, die im Sinne eines geringen Lagerbestandes bei Vertragspartnern vor Ort gekauft und regelmäßig befüllt werden.
Bei der Ersatzteilversorgung (zum Beispiel Baugruppen oder Ventile) sollte frühzeitig geprüft werden, ob eine eigene Bevorratung oder ein Konsignationslager wirtschaftlich günstiger sind. Hier kann keine allgemeine Empfehlung gegeben werden, da häufig bei der Neubeschaffung schon Ersatzteilpakete mitgekauft werden. Zur Steigerung der Fahrzeugverfügbarkeit bei Störungsfällen können auch weniger häufig benötigte Baugruppen (zum Beispiel Drehgestelle) vor Ort gelagert werden, wobei hier ein Kostenvergleich für die Auswahl des Lagerortes notwendig ist. Solche Baugruppen müssen nicht unbedingt in direkter Nähe zum Arbeitsplatz verfügbar sein, sie können beispielsweise in einem sonst nicht genutzten Teil des Geländes gelagert werden.
Arbeitsstättenregeln beachten
Einen weiteren Einfluss auf die Planung haben Tauschteile. Werden diese vor Ort aufgearbeitet, sind entsprechende Nebenwerkstätten einzuplanen, die sinnvollerweise in den Werkstattbereich eingebunden werden. Dadurch lassen sich zusätzliche Kosten, zum Beispiel für Werkstatteinrichtungen und Sozialräume, vermeiden. Durch die obligatorische Berücksichtigung der Arbeitsstättenregeln fallen keine Folgekosten durch Umbauten nach Inbetriebnahme an.
Arbeitsstände und Verkehrswege
Für die Dimensionierung von Arbeitsständen ist die Art der Fahrzeuge entscheidend, die sehr differenziert betrachtet werden muss. Bei Einzelfahrzeugen ist die Planung einfacher, bei Zugverbänden ergeben sich aufgrund der Länge besondere Herausforderungen. Das Arbeitsstättenrecht sieht beispielsweise eine maximale Fluchtweglänge vor, die eingehalten werden muss. Auch für die Ausgestaltung und die Breite von Verkehrswegen gelten spezielle Anforderungen.
Die Gestaltung der Verkehrswege ist häufig eine Herausforderung für den Planer. Unnötige Wege sollen aus Kostengründen vermieden werden. Die Wege sind aber großzügiger zu dimensionieren, wenn Materialtransporte mit Flurförderzeugen vorgesehen sind. Dabei sollte nicht zu viel umbauter Raum entstehen, aber dennoch sind alle notwendigen Sicherheitsabstände einzuhalten. So müssen bewegte Fahrzeuge beispielsweise mindestens einen Abstand von 0,5 Metern gegenüber festen Gegenständen haben. In der Praxis hat es sich bewährt, die Abstände eher großzügig zu planen, anstatt sich an Minimalwerten zu orientieren, denn drangvolle Enge von Arbeitsplätzen führt zu mehr Unfällen und einer geringeren Instandhaltungsqualität. Ein ergonomisch günstiger Arbeitsplatz verbessert hingegen nachweislich die Gesundheitsquote und hilft auch älteren Beschäftigten bei ihrer Tätigkeit. So sollte der Zugang zu einem Dacharbeitsstand immer über eine Treppe führen und nicht über Leitern.
Fazit
Der Bau einer neuen Schienenfahrzeugwerkstatt ist ein sehr komplexes Vorhaben. Neben den wichtigen und notwendigen fachlichen Aspekten bei der Grundstücksauswahl, der Materiallagerung sowie den Arbeitsständen kann eine auch wirtschaftlich gut funktionierende Werkstatt nur entstehen, wenn vom Planungsbeginn an die Aspekte Sicherheit und Gesundheitsschutz berücksichtigt werden. Eine ergonomisch günstig gestaltete Werkstatt reduziert langfristig Betriebs- und Personalkosten.
Auf die Planung kommt es an
Wann sollten die Planungen beginnen?
Möglichst frühzeitig, schon während einer Ausschreibung ist das Instandhaltungskonzept mit der Standortwahl entscheidend.
Wen beteilige ich an der Planung?
Neben den Betreibern und sämtlichen Fachplanern sollten auch die Eisenbahnaufsichtsbehörden sowie die Berufsgenossenschaft mit eingebunden werden. Das schafft Planungssicherheit.
Was ist besonders zu beachten?
Fachkräfte werden zukünftig knapp sein. Planen Sie eine ausreichend große und ergonomisch günstige Werkstatt, um gute und wettbewerbsfähige Arbeitsbedingungen zu schaffen.